Auf der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow Ende November haben sich die UN-MItgliedsländer auf konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der Klimaerwärmung geeinigt. Auch die neue Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag ambitionierte Ziele gesetzt, die deutlich über denen der letzten Bundesregierung liegen, beispielsweise soll die Erzeugungskapazität von Photovoltaikanlagen (PV) demnach bis 2030 vervierfacht werden. PV-Anlagen leisten dabei den größten Beitrag, CO2 einzusparen (https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/andreas-fischer-malte-kueper-ampel-macht-mut.html).

Von Dr. Christof Ernst

Wenn man die größten Emittenten von CO2 in Deutschland nach Sektoren gliedert, steht die Energiewirtschaft mit der Erzeugung von Strom an erster Stelle (https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgasminderungsziele-deutschlands). Das Bundes-Klimaschutzgesetzes sieht für diesen Sektor daher auch die stärksten CO2-Einsparziele vor.

Eine Strategie zur schnellen und effektiven Reduktion der CO2-Emissionen im Umfeld unserer Gemeinde, sollte, aus unserer Sicht, folgerichtig darauf ausgerichtet sein, die Erzeugung des dafür benötigten Strombedarfs durch erneuerbare Energien zu ermöglichen.

Strommast in Mähringen

Wir hatten uns im Mai und Juni mit den Plänen der Stadtwerke Tübingen befasst, Windräder in direkter Nähe zur Gemarkung Kusterdingen aufzustellen und haben uns kritisch dazu geäußert, weil wir zwar den dringenden Bedarf für erneuerbare Energien sehen, uns allerdings die konkreten Standorte wegen der geringen Windhöffigkeit nicht überzeugen.

Alternativ dazu sehen wir in der PV einen besonders gut geeigneten Weg, erneuerbare Energien auf dem Gemeindegebiet zu erzeugen. Die Technik ist bewährt, die Preise für die PV-Module sind die letzten Jahre regelmäßig gesunken und die Entsorgung ist inzwischen gut geregelt. Leider benötigen aber auch PV-Anlagen Flächen, die sich aber auf Gebäuden in der Gemeinde und ggfs. auch Freiflächen finden lassen sollten. Als kleines Rechenbeispiel wird für den heutigen Bruttostromverbrauch jedes Einwohners Baden-Württembergs eine Fläche von 32 qm für PV-Module benötigt (PV-Netzwerk Baden-Württemberg).

PV-Modul

Eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach ist eine feine Sache, sie reduziert den Strombezug aus dem Netz und lange Jahre gab es zudem eine üppige garantierte Förderung für eingespeisten Strom (auf Basis des EEG). Diese Förderung reduziert sich allerdings seit vielen Jahren und eine im Januar 2022 auf einem Dach in Betrieb genommene Anlage wird nur noch mit 6,83 Cent pro kWh vergütet werden (https://www.interconnector.de/eeg-rechner/). Für den selbst genutzten Strom erspart man sich momentan etwa 32 Cent pro kWh, da man den Strombezug vom Versorger reduzieren kann.

Dagegen läuft die Abschreibung aus den Anschaffungskosten, die etwas höher als die 7 Cent für die Einspeisung liegen dürfte. Moderne PV-Module haben aber inzwischen einen technischen Stand erreicht, der die Nutzung weit über die heute i.d.R. unterstellten 20 Jahre Nutzungsdauer hinaus erlaubt. Die Abschreibung über 20 Jahre blendet daher die Nutzung in den folgenden vielleicht 10 oder 15 Jahren aus und malt damit betriebswirtschaftlich ein etwas zu “düsteres” Bild.

Vom Dach zum Wechselrichter führen lediglich 1-3 relativ dünne Kabelpaare

Die Tendenz ist daher momentan leider wie folgt: Rein wirtschaftlich betrachtet, unter den heute bekannten “harten” Fakten und dem derzeit geltenden EEG wird man versuchen, eine neue Anlage möglichst nur so groß auszulegen, dass diese den Eigenverbrauch deckt und möglichst keine übermäßig große Einspeisung ins Netz verursacht. Als Resultat bleibt wertvolle Dachfläche ungenutzt.

Weitet man seine Analyse jedoch aus, mit Blick auf die bereits absehbaren technischen Entwicklungen (z.B. Stromspeicher / Wärmepumpe / Ersatz weiterer Geräte durch E-Geräte / E-Mobilität), dann ist der zukünftige Eigenverbrauch an Strom vermutlich in vielen Fällen deutlich höher zu schätzen.

Neben den normalen Stromverbrauchern im Haushalt, kann zukünftig auch die Wärmeerzeugung (z.B. mittels Wärmepumpe) und die Mobilität (z.B. mittels E-Fahrzeug) auf Stromversorgung umgestellt werden. Neuere Speichertechnologien (z.B. Stromspeicher mit Akku / RedOx / Schwungradspeicher etc.) ermöglichen zu zukünftig sinkenden Kosten einen höheren Anteil des selbst erzeugten Stroms auch selbst verbrauchen zu können. So wird es auch immer interessanter, Betriebsstoffe oder Verbrauchsstoffe wie fossile Energieträger in Zukunft mit selbst erzeugtem Strom aus PV zu substituieren. Daher sollte die Kalkulation nicht nur den aktuellen Verbrauch berücksichtigen, sondern auch den absehbaren Bedarf in 10 oder 20 Jahren.

Zudem entfällt ein großer Teil der Investition auf Montage, Wechselrichter und Anschluss der Anlage. Das sind weitgehend Fixkosten, die für jede Anlage anfallen, die sich aber nur unwesentlich erhöhen, wenn die Anlage größer ausgelegt wird.

Auch ist zu erwarten, dass die Preise für fossile Energieträger aufgrund der begrenzten Emissionsmengen merklich steigen werden, aktuell belastet die CO2-Abgabe bei einem Preis von 25 €/Tonne den Preis für einen Liter Diesel bereits mit 8 Cent, bis 2025 wird dieser Wert auf knapp 18 Cent steigen (https://www.energie-experten.org/news/co2-abgabe-so-teuer-werden-oel-und-gasheizungen-2021?xing_share=news&cHash=3cb0c6dad256f9fae93d57fc9a6f8741).

Abschließend sollte man die PV-Anlage bei vorhandener Dachfläche also lieber deutlich größer und anhand der verfügbaren Dachfläche auslegen, als später festzustellen zu müssen, dass sie zu klein geworden ist.

Übrigens kann man sich als Eigentümer einer Anlage von bis zu 10 kWp Leistung in vielen Fällen inzwischen durch Antrag von der Einkommensteuer auf die Einnahmen aus der Anlage befreien lassen (siehe BMF-Schreiben vom 29.10.2021: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/20211029-gewinnerzielungsabsicht-bei-kleinen-photovoltaikanlagen-und-vergleichbaren-blockheizkraftwerken.pdf?__blob=publicationFile&v=2 / eine Zusammenfassung gibt es hier: https://www.haufe.de/steuern/finanzverwaltung/gewinnerzielungsabsicht-kleine-photovoltaikanlagen-und-bhkw_164_544758.html). Wenn die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze (zzgl. USt) des Steuerpflichtigen dauerhaft unter der Freigrenze von 22.000 EUR bleiben (siehe §19 (1) S. 1 Umsatzsteuergesetz) und nicht zur Umsatzsteuer optiert wird, wird die Umsatzsteuer zudem nicht erhoben (Kleinunternehmerregelung).

Mit Blick auf die Gemeinde Kusterdingen

  • sollte geprüft werden, wo weitere PV-Anlagen auf Gebäuden der Gemeinde möglich sind
  • gibt es noch baurechtliche Einschränkungen, die reduziert werden können und
  • könnte die Gemeinde einen Leifaden erstellen, um die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Strom von Dachflächen zu örtlich nahegelegenen Abnehmern mittels Stromkabel über öffentlichen Grund und Boden geleitet werden kann, um direkte Stromlieferungen zu ermöglichen

Ausblick: Gewerbeimmobilien haben oft eine große Dachfläche, die aufgrund Größe und geringer Dachneigung sehr gut geeignet für ein PV-Anlage ist. Neben der Möglichkeit, die Investition selbst zu tätigen, gibt es auch die Möglichkeit, die Anlage von einem Projektpartner installieren und betreiben zu lassen. Wir haben uns zu diesem Thema mit einem Vertreter der EENA (Bürgergenossenschaft ErneuerbareEnergien Neckar-Alb, https://www.eena-eg.de/) getroffen und berichten im nächsten Beitrag darüber.